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4 - Kosten und Klima

4.1 Ein Umstieg bleibt kostengünstiger

Stuttgart21 hat sich bundesweit einen Namen gemacht als das Projekt der vorprogrammierten Kostenüberschreitungen. Die Belastungen öffentlicher Haushalte mit den nicht gedeckten rechtlich strittigen ca. 5 Mrd. € inklusive aller weiter zu erwartenden Mehrkosten hat bisher nicht zu einer Infragestellung des Vorhabens geführt. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag von Mai 2021 verständigen sich die Vertragschließenden auf sogenannte Ergänzungsprojekte mit Milliarden Kostenfolgen. Dazu „beschlossen“ sie lapidar, das Land würde keinen Cent davon mehr tragen.

Auch wenn vergleichende Kostenanalysen des bisher Geplanten (Stuttgart21 – I), der Ergänzungsprojekte (Stuttgart21 – II) sowie der hier vorgestellten Alternativen angesichts der hohen Komplexität des Projekts zwar notwendig, aber ehrenamtlich kaum zu leisten sind, braucht die politische Debatte Orientierungspunkte.

2018 hatte zuletzt das Büro Vieregg/Rößler in einer Fortschreibung der Kostenvergleichsrechnung von S21-Weiterbau einerseits und der damaligen Umstiegsvariante andererseits eine Kosteneinsparung von ca. 5 Mrd. bis 5,2 Mrd. € für das umfängliche Umstiegsmodell errechnet.1

Inzwischen liegen auch die zu erwartenden Kosten der bisherigen Umstiegsvorschläge höher, allein aufgrund der Baupreissteigerungen. Die tabellarische Aufstellung auf der folgenden Seite ermittelt zunächst die Kostensteigerungen der bisherigen Umstiegsvorschläge bei einer angenommenen Baupreissteigerung von 20 % seit 2017 2 (ZWISCHENSUMME) und addiert dazu die sehr grob geschätzten Kosten, die sich aus den Vorschlägen einer unterirdischen Güterlogistik und der Neugestaltung von Bahnhofsbereich, Gleisanlagen 3 und Schlossgarten ergeben:

Die Kosten für den UMSTIEG21 Plus

 

Kosten Umstieg 21

Die Kostenentwicklung von Stuttgart21

Die Angaben der DB zu den Kosten von Stuttgart21 waren von Beginn des Projekts an - wie inzwischen eingestanden - unseriös, da (durchsetzungs-) politisch motiviert: 1995 wurden Gesamtkosten von 2,46 Mrd. in € umgerechnet angegeben. 2009 sah der Finanzierungsvertrag der Projektpartner Projektkosten von 4,5 Mrd. vor. 2013 erhöhte die DB den Finanzierungsrahmen auf 6,5 Mrd., 2018 dann auf 8,2 Mrd.

Realistischer waren die Kostenprognosen des Büros Vieregg/Rößler und des Bundesrechnungshofs. Im Dezember 2015 erwarteten Vieregg/Rößler Projektkosten von 9,8 Mrd. €. Schon 2016 ging der Bundesrechnungshof von bis zu 10 Mrd. Kosten für S21 aus 4. Trotz vieler Verzögerungen und Planänderungen wurden die Kosten des Projekts in den letzten Jahren nicht mehr fortgeschrieben.

Unterstellt man allein Baukostensteigerungen von 20 % seit 2017, lägen die Projektkosten auf Basis der Berechnungen des BRH bereits bei 12 Mrd. €. Begleitet wird das Projekt ständig von aufwändigen und verzögernden Planänderungen – wie z.B. im Bereich des Brandschutzes, aufgrund des Wassereindrangs in Untertürkheim oder beim Nesenbachdüker. Solche zusätzlichen Kosten - aus Sicht der DB „Unerwartetes“ - dürften sich auf einen Betrag von 1 Mrd. summieren, so dass, wenn auch nur spekulativ, inzwischen von Projektkosten im bisherigen Projektrahmen (Stuttgart21 – I) in Höhe von 13 Mrd. ausgegangen werden kann. Davon, auch dies ist eine spekulative Annahme, sind ¾ der Kosten bereits angefallen, also gut 3 Mrd. noch offen. Sie könnten bei einem Umstieg also noch eingespart werden.

Angesichts der massiven Realisierungsprobleme bei den Themen Kapazität/Integraler Taktfahrplan und Fildertrasse werden - inzwischen durch den Koalitionsvertrag von Grün/Schwarz bestätigt - vier Ergänzungsprojekte geplant, für die nach einer Kostenstudie des Verkehrsberaters Karlheinz Rößler vom Februar 2021 5 folgende Mehrkosten entstehen:

Kosten Ergänzungsprojekte

Einsparpotential bei UMSTIEG21 (Stand 2021)

Addiert man die noch einsparbaren Kosten des über die Jahre immer teurer gewordenen Ausgangsprojekts Stuttgart 21 – I zu den Kosten der nun geplanten sogenannten Ergänzungsprojekte (Stuttgart 21 – II), so ergibt sich ein Einsparpotential von 8,5 Mrd. € im Falle eines Projektabbruchs.

Demgegenüber würden Aufwendungen für den Umstieg (Stand 2021) von ca. 2,0 Mrd. € entstehen, sodass sich im Saldo ein Einsparpotential von ca. 6.7 Mrd. € ergibt.

Saldo Einsparpotential

 

 

Neben belastbaren Zahlenangaben sind viele Elemente dieser Kostenaufstellung sehr spekulativ.

Die hier vorgestellte überschlägige Kostenrechnung beansprucht nicht mehr zu sein als ein grober Anhaltspunkt über die Kostenrelationen zwischen Weiterbau und UMSTIEG21. Genauere Werte müssen einem erneuten Kostengutachten vorbehalten bleiben. Dies müsste sowohl die Summe der noch nicht verausgabten Aufwendungen für S21 - I, als auch die Kostensteigerungen bei den bisherigen Umstiegsvorhaben, sowie die genaueren Kosten des hier vorgeschlagenen erweiterten Konzepts für den Bahnhofsbereich ermitteln. Unter Berücksichtigung dieser Vorbehalte kann davon ausgegangen werden, dass Umstieg21 Einsparungen in der Größenordnung von 6,7 Mrd. € ermöglicht. Mit Sicherheit kann festgestellt werden, ein Weiterbau, ganz abgesehen von den klimatischen Auswirkungen ist um viele Milliarden teurer als UMSTIEG21.

Der direkte Kostenvergleich hinkt allerdings insofern, als er lediglich die Kostenseite betrachtet und sie nicht in Relation zu der Nutzen-/Schadensseite der Alternativen stellt. Bei allen Differenzen über Nutzen oder Schaden von Stuttgart 21 dürfte der Nutzen unstrittig sein, dass bei Umstieg21 ein komplettes unterirdisches Gütertransportsystem bereits eingepreist ist.

Angesichts von Nettobilanzschulden der DB von 29 Mrd. €, coronabedinger Milliardenausfälle (5,7 Mrd. € allein 2020) und Schäden durch die Flutkatastrophe 7/2021 in Höhe von 1.3 Mrd. € sollte der DB AG eine Einsparung bei Stuttgart21 von etwa 6 Mrd. € gelegen kommen.

Ca. 6,3 Mrd € kostengünstiger als S21: UMSTIEG21 Plus.
Ca. 6,3 Mrd € kostengünstiger als S21: UMSTIEG21 Plus.
Grafik: Wilhelm Konz

 


 

1 Vieregg, Ermittlung der Ausstiegskosten für das Projekt Stuttgart 21 http://www.umstieg21.de/assets/files/pressemitteilungen-17/vr-ausstieg-charts-131217.pdf

2 Die Annahme von 20 % orientiert sich an den Angaben des Statistischen Bundesamts für Baupreisentwicklungen im Nicht-Wohnungsbau: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Baupreise-Immobilienpreisindex/Publikationen/Downloads-Bau-und-Immobilienpreisindex/bauwirtschaft-preise-2170400213214.pdf

3 Zulauf Hbf – Bad Cannstatt : Nach Fertigstellung der S21-Eisenbahnbrücke nach Bad Cannstatt sind bei UMSTIEG21 nur noch Sanierungsmaßnahmen für die weiter zu nutzende bisherige Eisenbahnbrücke und den Rosensteintunnel in Anschlag zu bringen.

4 https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bundesrechnungshof-geht-intern-von-mehrkosten-aus-s-21-koennte-bis-zu-zehn-milliarden-euro-kosten.f5c017cf-49de-4ce3-9f61-3dae886ad9ac.html

5 Rößler Gutachten Ergänzungsprojekte Grobabschaetzung-der-Baukosten-und-Treibhausgasemissionen-zusaetzlicher-Tunnel-als-Ergaenzungsprojekt-fuer-Stuttgart-21.pdf

6 Beim Milliardenprojekt einer 2. S-Bahn-Stammstrecke in München musste die DB aufgrund neuer EU-Vorgaben tiefgreifende Planänderungen vornehmen und sieht nun im ursprünglich zweiröhrigen Tunnel eine dritte Rettungsröhre vor.

7 Während in den Kostenrechnungen der Rößler-Studie für die „Ergänzungsprojekte“ bei der Preisindizierung von Planungs- und Bauzeiten von 17 Jahren bis zu einer vollständigen Fertigstellung gerechnet werden muss, dürften die Planungs- und Bauzeiten für UMSTIEG21 zwischen 5 und 8 Jahren liegen. Trotz erheblich unterschiedlicher Planungs- und Bauzeiten muss ein genauerer Kostenvergleich eine Preisindizierung mit dem gleichen Bezugsjahr vornehmen.